Bergbau in Mülheim Eifel

Schlaegel-und-Eisen

von Harald Weißkopf

Blankenheim-Mülheim, November 2017

Rätselhafte Halden
In der Nähe des ehemaligen Mülheimer Bahnhofs befinden sich zwei mächtige Abraumhalden, deren Ursprung rätselhaft ist. Die nördlich gelegene Halde – genannt „Am Schäch“- ist oben etwa 22 m x 12 m lang und breit und 2 m bis 5 m hoch; die einige hundert Meter talwärts gelegene „Im Sümpen“ ist oben etwa 37 m lang, bis 11 m breit und bis 4 m hoch, mit noch deutlich erkennbaren Auffahrwegen darin, wo das Erdmaterial herauftransportiert und oben abgeschüttet wurde.

Bergbau-Foto1

Foto 1: Baumbewachsene Abraumhalde „Im Sümpen“ 2017

Diese beiden künstlichen Geländeformationen sind auch in der Deutschen Grundkarte (Maßstab 1: 5000) von 1997 Nr. 5506, 13 Mülheim (Eifel) oberhalb des Bahngeländes und in Nr. 5506, 19 Reetz Nord „Im Braunen Sittert“ eingezeichnet.

Vor 50 Jahren waren beide Halden kaum bewachsen und bestanden hauptsächlich aus einer gräulichen schiefrig-krümeligen (unfruchtbaren?) Erde. Inzwischen sind sie aber mit hohen Fichten bzw. Laubbäumen bewachsen und mit einer Humusschicht bedeckt. (siehe Foto 1 und Foto 2)

Bergbau Foto2

Foto 2: Baumbewachsene Abraumhalde „Am Schäch“ 2017
(2 m Meßstab rechts vorne am Fuß der Halde)

Fragte man die ältesten Einwohner, so erzählten sie von einem Stollen, der von der unteren Halde bis zum „Schäch“ und sogar bis zum etwa 250 m entfernten „Giersberg“ gegangen sein soll. Was abgebaut wurde, wußte keiner; vermutet wurde Silber oder Eisen; wann, von wem, wie lange, wie erfolgreich – dazu gab es nicht einmal Vermutungen.

Bei der Zusammenlegung in Mülheim um 1952 war das Land um die untere Halde Alois H. zugeteilt worden. Auf Befragen in den 1980er Jahren bestätigte er, dass er genau wisse, wo ein Eingang gewesen sei, er ihn aber zugeschüttet habe und nicht verraten wolle, wo es war, damit keine Ausgräber angelockt würden.

Endlich mehr Gewißheit
Beim Oberbergamt in Dortmund konnten dann doch wider Erwarten detailliertere Angaben und sogar Karten von zwei Bergwerkkonzessionen gefunden werden. Die eine ist die Konzession (=Bergbauberechtigung) „ALMA auf Eisenerz“, die andere „JOSEPHINE auf Bleierz“. (siehe Karte 1)

Bergbau-Karte1

Karte 1: Verleihungsriß von 1875 mit dem Eisenerzfeld „Alma“
und darin, bzw. im Norden etwas in die Gemarkung von Tondorf hineinreichend das Bleierzfeld „Josephine“.
(Karte 5 weiter unten zeigt eine Ausschnittvergrößerung dazu).

Zunächst zur Konzession ALMA

Dieses Bergwerksfeld „ALMA“ umfaßt beinahe die ganze Gemarkung Mülheim vom Mürel/Edelberg bis zur Weinstraße, im Bergrevier Gemünd. Es ist 1.586.700 Quadratlachter groß (2189 Morgen, 176 Ruthen; das sind über 3 Millionen m²).

Auf einer anderen Karte sind außer den Grenzen auch 9 Fundpunkte numeriert. Sie liegen alle um das Gebiet zwischen dem späteren Bahnhof und dem Giersberg. Nur der Fundpunkt Nr. 5 ist in der Nähe des heutigen Schwalbenhofs eingezeichnet. (An Fundpunkten wurden Mineralien zuerst entdeckt und dem Bergbeauftragten vor Ort gezeigt.)

Ob an diesen Fundpunkten auch Schächte waren, läßt sich nur vermuten.

Bei der oben angeführten Zusammenlegung fragte das Kulturamt Euskirchen beim Bergamt Bonn an, ob Bergrechte für die Flurstücke Nr. 89, 1064/76 und 1462/1045 zu berücksichtigen seien, wo vor längerer Zeit offensichtlich Schürfungen stattgefunden hätten. (siehe Karte 4)

Antwort am 11.2.1945: „In der Gemarkung Mülheim sind vor etwa 150 Jahren die Brauneisensteinlager im Devonkalk in Kesseln bis 20 und mehr m Tiefe gebaut worden. Durch diesen Abbau mittels Reifenschächten ist damals die Tagesoberfläche zu Bruch gebaut worden. Wahrscheinlich ist das heute noch in den Fluren zu erkennen. Das Eisenerz ist damals in zusammenhängenden Grubenfeldern in der ganzen Gegend verliehen worden, jedoch werden sie seit langem nicht mehr ausgebeutet“ und seien für diese Zusammenlegung nicht zu berücksichtigen.

Bergbau-Karte4

Karte 4: Ausschnitt aus der Flurkarte der Gemarkung Mülheim von 1896 mit den Flurstücken 1064/76 (für Mundloch und Halde) und 89 (für Schacht I).
Flurstück 1462/104 (für Schacht II) liegt nördlich, ist nicht in diesem Ausschnitt.
Alle 3 gehörten den Gebrüdern Kraemer.

Eigentümer
Ab 1890 wurden alle Bergwerksfelder in die Grundbücher eingetragen. Und so erfahren wir aus der Mitteilung des Königlichen Amtsgerichts Blankenheim vom 10.12.1895, wer der Eigentümer von „Alma“ist, nämlich die „Aktiengesellschaft Eisenwerk Kraemer im (saarländischen) St. Ingbert, vormals Commandit-gesellschaft Gebr. Kraemer daselbst, bzw. Stahlhütte“.

1804 hatte die aus der Eifel stammende Familie Kraemer die 1733 gegründete St. Ingberter Eisenhütte im Saarland gekauft. Sie hatte nach allerlei Höhen und Tiefen (Krieg, Zollauswirkungen usw.) und einigen Betriebsumwandlungen (Kommandit, Aktiengesellschaft, Fusionen) im Jahr 1913 z.B. 2200 Beschäftigte und besteht heute noch in der „Saarstahl AG“ fort.

1823 übernahm diese Hüttenfamilie Kraemer aus dem Saarrevier die Stahlhütte. Sie beschäftigte da zunächst 50 Arbeiter, die jährlich rund 500 Karren Eisenerz verhütteten (P. Neu). 1874 stellte die Stahlhütte den Betrieb ein, 13 Jahre nach der Ahrhütte (Bungartz).

Pfarrer Jansen schrieb 1889 in der Reetzer Kirchenchronik rückblickend: „Anno 1864 ernährte die Stahlhütte 1500 Menschen, Bergleute, Köhler und Fuhrleute eingerechnet.“

Die Gebrüder Kraemer hatten auch – neben dem Mülheimer Bergfeld „Alma“ viele weitere Bergwerkskonzessionen in der Eifel erworben, in unserer Gegend z. B. in Uedelhoven „Maiwein“und „Hohenzoller“, in Dollendorf „Homberg“ und „Dollendorf“, in Reetz die Erweiterung „Alma“ in Lommersdorf „Lommersdorf“ sowie die Bleierzwerke „Alwine, Augusta, Emma und Josephine“, alle im Grundbuchbezirk Blankenheim.

Von etwa 1830 bis 1870 gab es einen regelrechten Wettlauf auf Bergwerkskonzessionen, so dass kaum ein Gebiet in unserem Teil der Eifel nicht konzessioniert war.

Verleihung der Schürfrechte
Bei einem verheerenden Luftangriff auf Bonn am 18.10.1944 wurde das Oberbergamt Bonn und damit auch die Berechtsamsakten von „Alma“ vernichtet. Das Oberbergamt erhielt aber im Februar 1960 die Grundakten des Bergwerks Nr. 2 ALMA vom Amtsgericht Blankenheim zum Kopieren. Diese Akten besagen: „Das Bergwerksfeld „Alma“ ist mit Urkunde vom 31.5.1856 durch das Ministerium für Handel… in Berlin mit einer Fläche von 1 583 700 Quadratlachtern zur Gewinnung von Eisenerzen verliehen worden…“ Das Bergwerksfeld liegt in der Gemeinde Mülheim…“.

Die kurz vor dieser Genehmigung vom Bergamt erteilte Konzessionsurkunde lautet:

An Gebrüder Phil. Heinr. und Friedr. Kraemer, wohnhaft in Stahlhütte, Gemeinde Dorsel wird die Eisenerzberg-Ablagerung in Mülheim zum Betrieb eines Eisenerz-Bergwerkes „Alma“ am 25.3.1856 zu folgenden Bedingungen in Concession gegeben:“

(verkürzt die wichtigsten Bedingungen:)

  • in beschriebenen Grenzen a-g bleiben (entspricht meist den Mülheimer Gemarkungsgrenzen), evtl. Lochgrenzsteine setzen –
  • bergmännisch, sorgfältig arbeiten –
  • das bei Mülheim aufgeschlossene hora 9 streichende Eisensteinlager durch Versuchsarbeiten näher ermitteln und einen vom Mülheimer Bach heranzutreibenden Stollen erstellen und den Plan beim Bergamt Düren einreichen –
  • die bei der östlichen Feldgrenze erschürften Eisenlagerstätten und auch im ganzen und auch im ganzen Konzessionsfeld weiter schürfen und bauwürdige Erzlagerstätten melden –
  • qualifizierte Steiger einsetzen –
  • nach Eröffnung der Grube Grund- und Profilrisse erstellen –
  • Zechenregister und Arbeiterlisten erstellen –
  • Einstellung des Betriebes nur nach behördlicher Erlaubnis –
  • Grundrechte-Entschädigung 1 Pf/Morgen, …

Durch die Kriegszerstörung sind leider keine Grund- und Profilrisse zu „Alma“ vorhanden, die sicherlich sehr aufschlußreich gewesen wären. Beim Bergfeld JOSEPHINE weiter unten gibt es aber einen Profilriss.

Zur Grundrechte Entschädigung faßte der Mülheimer Gemeinderat am 23.12.1866 folgenden Beschluß: „Ein Geometer soll beauftragt werden die Konzessionsfläche des Bergwerkes „Alma“ zu ermitteln und die der Gemeinde zukommenden Grundentschädigung für die letzten 5 Jahre einzufordern.“

Ob das gelohnt hat, bei je 1 Pf Entschädigung für die 2195 Morgen, von denen ja nur ein kleiner Teil im Gemeindebesitz war und dann ja auch der Geometer noch bezahlt werden musste?

War eine Konzession einmal erteilt, gab sie dem Eigentümer große Rechte: „Im alten Preußischen Berggesetz von 1865 war geregelt, dass der Bergbaulustige (!) gegenüber dem Staat Anspruch auf Verleihung des Bergwerkeigentums hatte. Außerdem hatte er Anspruch darauf, auch ohne den Willen des Grundstückseigentümers die auf dem Grundstück vorkommenden Mineralien aufzusuchen und zu gewinnen.“ (Wikipedia: Berechtsame)

Erweiterung
Durch Urkunde vom 4.4.1861 wurde das Bergwerksfeld „Alma“ um eine Fläche von 965.069 Quadratlachtern erweitert und zwar über die „Weinstraße“ hinaus in die Gemarkung der Nachbargemeinde Reetz.

Die Bedingungen für die Vergabe der Konzession waren ähnlich wie bei der Vergabe von „Alma“ vom 25.3.1856 (siehe oben).

Pfarrer Jansen von Reetz schrieb 1889 in der Kirchenchronik noch hoffnungsvoll:

So hat auch die Reetzer Feldflur Eisenstein in der (einstweilen nur auf der Karte befindlichen, jedoch eventuell von den Besitzern zu eröffnenden) Grube „Alma“ und Reetzerberg.“ Dabei war die Erweiterung 1889 längst gelöscht, laut einem Prüfbericht des Obermarkscheiders Lülin vom 3.11.1875.

Vielleicht war den Gebrüdern Kraemer die Ertragslage für Eisenerz zu schlecht geworden oder die Bedingungen zu hart gewesen (u. a. Roteisensteinlager zu erschließen, zwei Stollen zu bauen).

Zur Konzession JOSEPHINE

Antragstellung (Mutung)
Am 15.9.1875 schreibt Christian Pilz aus Stahlhütte bei Ahrdorf im Kreise Adenau folgenden Brief an das Königliche Oberbergamt in Bonn:

Der unterzeichnete Christ. Pilz, Hüttenverwalter zu Stahlhütte, legt hierdurch als Repräsentant für das auf Eisenerze concidierte Bergwerk „Alma“ bei Mülheim im Kreise Schleiden für die Gebrüder Kraemer aus dem St. Ingberter Eisenwerke in Rheinbeiern Muthung (Antrag auf Abbaurecht) ein auf einen Bleierzfund, welcher gemacht ist in der Grube selbst und zwar im Stollen, 478 Meter von dessen Mündung, ergo in der Gemeinde Mülheim Bürgermeisterei Blankenheim und Gemeinde und Bürgermeisterei Tondorf und wird der Muthung der Name „Josephine“ beigelegt. Situationsplan ist in zwei Exemplaren beigefügt.“

Schon am 2.10.1875 erfolgte die Fundsbesichtigung durch den Königlichen Bergmeister Ribbentrop zu Gerolstein:

„Verhandelt auf Eisenerzgrube „Alma“ bei Mülheim am 2. Oktober 1875.

An dem heutigen zur Fundesfeststellung der am 22. v. M. präsentierten Bleierzmuthung „Josephine“ anberaumten Termine zeigte der Muther (Antragsteller), Hüttenverwalter Pilz von Stahllhütte bei Ahrdorf, den Fundpunkt gedachter Muthung in der Lage vor, wie der zur Mutung eingereichte Situationsriß angiebt, nämlich im Stollen der Eisenerzgrube „Alma“ bei Mülheim 412 m von dessen Mundloch. Es fand sich daselbst eine 4 Zoll mächtige Schicht kalkhaltigen Schiefers der Devonformation , in welchem Bleiglanz in feinen Körnern durch und durch eingesprengt ist, so daß ein Bleierzfund im Sinne des Berggesetzes vorliegt. Das Streichen jener Schicht ist in hora 6 4/8 (auf der Karte eingetragen 4 6/8 !), das Einfallen derselben 40° gegen Norden.“

Am 11. November 1875 wird die Verleihungsurkunde im Namen des Königs durch das Königliche Oberbergamt in Bonn erteilt:

„Auf Grund der Muthung vom 22. September 1875 wird den Hüttenbesitzern Gebrüder Kraemer zu St. Ingberter Eisenwerk unter dem Namen „Josephine“ das Bergwerkseigenthum in dem in der Gemeinde Mülheim und Tondorf im Kreise Schleiden, Regierungsbezirk Aachen und Oberbergamtsbezirk Bonn belegene Felde, welches einen Flächeninhalt von 2 180 949 Quadratmetern hat und dessen Grenzen auf dem am heutigen Tage beglaubigten Situationsrisse mit den Buchstaben a b c d e f g und h bezeichnet sind zur Gewinnung der in dem Felde vorkommenden Bleierze nach dem Berggesetze vom 24.6.1865 hierdurch verliehen.“

Von der Antragstellung am 18.9.1875 bis zur Verleihung der Konzession im November dauerte es nicht einmal 2 Monate und auch die Veröffentlichung der Verleihung im Amtsblatt des Reg. Bez. Aachen erfolgte noch im November (25.11.1875, Nr. 869) – so schnell ging das damals! Und das – obwohl dadurch dass „Josephine“ auf Tondorf zu über die Gemeindegrenze Mülheim hinausging, zwei Bergreviere (Gemünd und Kommern), 2 weitere Konzessionen („Engelgau“ und „Heinzenberg I.“) mit 2 verschiedenen Eigentümern (Bauer aus Aachen und Doinet aus Zülpich) betroffen waren, und so die Zuständigkeiten wechselten; zudem gab es einen Einspruch von Herrn Doinet gegen den Antrag und – auf Druck – die Rücknahme des Einspruchs. – Das war ein postwendender Briefwechsel!

Weshalb diese komplizierte Erweiterung der Konzession um den relativ kleinen Bereich von 80 Morgen über die Grenze von „Alma“ und die Gemarkung Mülheim hinaus? Gab es da auch Hoffnung auf Bleierze? – Nun, es wurden wirklich Bleierzfunde gemacht, und zwar 100 Jahre später bei dem Bau der A1, die ja dort bis jetzt auf Tondorfer und Mülheimer Gebiet endet! Im Museum des Bleibergwerks Rescheid kann man ein paar dieser Fundstücke besichtigen!

Weitere Informationen aus den obigen Dokumenten:

Der Hüttenverwalter der Stahlhütte Christian Pilz, dessen Familie aus Dorsel kam, hatte 1870 von den Gebrüdern Kraemer eine Generalvollmacht für sämtliche geschäftlichen Angelegenheiten bekommen. Diese wohnten „im Ausland“, im entfernten saarländischen, „rheinbayrischen“ St. Ingbert, das zum Königreich Bayern gehörte, die hiesige Gegend gehörte dagegen zu Preußen. Sie selbst hatten wohl nie in Stahlhütte gewohnt , sondern ihre Repräsentanten dort ( um 1860 F. Dannenberg, 1875 Christian Pilz).

1874 hatte die Stahlhütte die Eisenverarbeitung schließen müssen (Kohlemangel, schlechte Verkehrsanbindung, Absatzschwierigkeiten). Wollte Chr. Pilz die Arbeitsstelle retten, indem er auf Blei umstieg? Auch die Daseinsberechtigungen der vielen Bergreviere und Bergämter wurde geringer. Vielleicht auch deshalb die schnelle Bearbeitung?

Die Bergleute
Und bot der Bergbau hier auch Männer aus Mülheim und Umgebung Arbeit und Verdienst, oder kamen die Bergleute von anderswo?

Thea Schmitz hat in ihrer Doktorarbeit über die Eifelorte Mülheim und Blankenheim von 1953 (also noch wesentlich zeitnäher an 1875) recherchiert: „Man weiß noch von Mülheimer Knappen zu erzählen, die in dieser Roteisensteingrube als Häuer tätig waren. Die Anzahl der in der Grube beschäftigten ist unbekannt, schwerlich aber dürfte sie mehr als zehn bis zwölf Arbeitskräfte betragen haben.“

In den Personenstandsbüchern des Standesamtes Blankenheim zu Geburt, Heirat und Tod sind aus Mülheim mit der Berufsbezeichnung „Bergarbeiter/Bergmann“ als Väter oder Zeugen eingetragen:

Franz Heinrich Appel, 35 J., (1856, 1863), Mathias Pütz, 28, (1859, 1860), Johann Peter Daniels, 36, (1859, 1872, 1876), Josef Wahsong (1878), Peter Wahsong (1878, 1879, 1880, 1882 verstorben in Mechernich, 1892), Joh. Peter Pöring (1879), Wilhelm Kau (1881), Peter Schweihs (1885) und Peter Linden (1886, 1887).

Einige Bergleute von auswärts haben Mülheimerinnen geheiratet:

Christian Schmitz, 26, Bergmann aus Weyer die Anna Maria Wahsong, 26, (1863);
Jakob Blum, Bergmann aus Ahrodrf, z. Z. Eiserfey, die Anna Hel. Conerath(1876); Adolf Züll, Bergmann aus Wallenthal die Anna Gertrud Daniels (1878) und Peter Strunk, Bergmann aus Roggendorf die Gertrud Wahsong (1878).

Sie haben in Mülheim geheiratet, aber ob sie hier auch als Bergleute gearbeitet haben, oder im Bleibergwerk Mechernich, ist leider nicht angegeben.

Zumindest für später ist wohl Mechernich anzunehmen, wie wir aus den Daten des am 13.9.1868 mit 36 in Mechernich verstorbenen Bergarbeiter Peter Sticken aus Reetz herauslesen können. Seinen Tod bezeugten der Steiger Josef Voißel, bei dem er in Mechernich in Logis wohnte und der Bergmann Peter Bovy, sein Nachbar dort. Vielleicht wohnten noch mehr von hier (die Werktage über ?) in Logis als Bergleute in oder um Mechernich. Vielleicht auch, nachdem sie zuvor im Mülheimer Bergwerk gearbeitet hatten? – Nach 1887 findet sich für Mülheimer oder Reetzer die Berufsbezeichnung nicht mehr.

Die Fundstelle
Die Stärke der bei der Fundbesichtigung angegebenen Bleierzschicht von 4 Zoll (etwa 10 cm) scheint mir nicht gerade mächtig und die Erze sind nicht kompakte Klumpen (wie teilweise in Rescheid) sondern in feinen (also kleinen) Körner eingestreut (eher wie Mechernicher Bleibergbau). Ob das hier lohnte?

Der Verleihungsriß (siehe Karte 5)
Für uns aber ist wichtig, dass ein bisher nur vermuteter Stollen hier amtlich dokumentiert und sogar kartografiert ist. Am Stollen ist in der Karte der Name „Alma“ eingetragen, er gehört also zu dem Eisenbergfeld, ist nicht für „Josephine“ (Bleierz) angelegt worden.

Bergbau-Karte5

Karte 5: Ausschnitt aus dem Verleihriß von 1875, mit Stollenmund, Schacht I und II und Fundpunkt.
(Die Linie jenseits des Stollenpunktes ist eine kartografische Kennzeichnung, Abzisse, nicht Stollen!)

Zwei Schächte sind in diesem Verleihungsriß von 1875 eingetragen, wohl Lichtschächte (Lichtschächte waren nicht zur Beleuchtung, sondern Öffnungen für Belüftung und für Erd- und Baumaterial).

Schacht II auf der Karte muß die am Anfang angeführte große Abraumhalde „Am Schäch“ sein, weil sie in der Verlängerung des durch den Bahnbau verschwundenen Verbindungsweges Eichergasse – Wolfsgasse (heute Bahnstraße) eingezeichnet ist. Auch Schacht I ist heute noch zu erkennen, und zwar 200 Schritte oberhalb des Mundlochs an dem Teerweg Richtung Forellenhof, links vor der großen Kehre (als kleiner Trichter und etwas Abraum darum herum).

Zeitzeugen
Angespornt durch die Gewißheit, dass es einen Stollen wirklich gegeben hatte, begann ich eine erneute Befragung, bei älteren Mülheimerinnen und Mülheimern, ob nicht jemand den Stolleneingang, das Mundloch, gesehen habe. Die meisten verneinten, einige meinten daran gewesen zu sein, aber es war dann doch nur der tunnelartigen Wasserdurchlass unter dem Bahnhofsgelände (Foto 3), der etwa 75 m lang ist und in der Nähe der Kehre herauskommt (in den 90er Jahren durchkrochen ihn noch einige Kinder und stiegen am oberen Ende den damals errichteten rund 4 Meter hohen Senkschacht an den Steigeisen hoch, inzwischen mit Deckel verschlossen).

Bergbau-Foto3

Foto 3: Ausgang Wasserdurchlass unterhalb des Bahnhofgeländes, 2017

Und dann doch zwei Zeitzeugen: Mathias E. sagte, dass er als Kind bei der unteren Abraumhalde eine Öffnung gesehen hatte, an die er sich aber wegen eindringlicher elterlicher Warnungen (Einbrechen / Einstürzen) und Drohungen nicht näher herangewagt hatte. Das herauskommende Wasser sei rötlich gewesen.

Helmut K. konnte sogar sehr detailliert Auskunft geben:

Seine Familie wohnte bei ihrem Onkel Karl Adams, dessen Frau Maria Ehlen das Land am Stollen mit in die Ehe gebracht hatte. Es war für die damalige Zeit ein recht großes Stück Wiesenland bei der Abraumhalde und dem Mundloch und es hatte einem Aufweg auf den Bahnhof zu (den heutigen geteerten Feldweg gab es damals nicht). Er mußte dort öfter Vieh hüten und weiß deshalb genau wo der Eingang des Stollens war. Er war schon mal hinein gegangen, aber nicht tief, wegen Angst vor Einsturz und fehlender Lampe. Der Eingang war mit Steinen eingefaßt (Art Trockenmauer), so hoch, dass er als Kind aufrecht darin stehen konnte, sein Onkel aber sich etwas bücke mußte, geschätzt 1,20 m breit. Er war mit Holz abgestützt und auf dem Boden lagen Holzbohlen, unter denen das Wasser ablaufen konnte. Der Eingang sei in der Verlängerung von dem Auffahrweg der Abraumhalde noch etwa 4 Meter hinter der jetzigen steil abfallenden Böschung gewesen. Daneben sei auch noch etwas wie ein zweiter Eingang gewesen.

Spurlos verschwunden
Und wieso ist jetzt auch bei intensiver Suche gar nichts mehr von einem möglichen Eingang zu finden? Nun, nach der Zusammenlegung 1953 wechselte der Besitz des Grundstücks und der Planierraupenbesitzer Grosche wurde beauftragt den Zugang sicherheitshalber zu verschütten und das Gelände zu dem jetzigen Plateau zu begradigen, mit der steil abfallenden Böschung (teils 4 m hoch) gegenüber der Halde. Die Halde selbst wurde mit Fichten bepflanzt, da dort wenig wuchs. So ist nichts mehr von einem Stolleneingang erkennbar. Aber es gab diesen Stollen wirklich, beurkundet und jetzt auch von Zeitzeugen bestätigt.

Länge und Tiefe
Bis wohin kann nun der Stollen geführt haben? Einige Angaben aus der Grundkarte:

Höhenlinie beim Mundloch: 470 m
– beim Schacht II (Am Schäch): 500 m
– bei Talgasse: 505 m
– Giersberg (halbe Höhe): 520 m

Diese Höhen gelten für die Erdoberfläche; der Stollen wird leicht ansteigend gewesen sein, damit das Wasser (unter den Bohlen) talwärts laufen konnte. Über die Tiefe des Stollens kann man nur spekulieren, aber „Am Schäch“ kann es durchaus 20 m gewesen sein.

Zur Länge des Stollens heißt es in den Schriftstücken 412 m , bzw. 478 m, der Verleihungsriß von 1875 gibt vom Eingang bis zur Bleierz-Fundstelle 482 m an. Aber er kann durchaus weiter verlaufen sein, da er ja nicht auf Blei, sondern zur Eisenerzsuche angelegt war. Laut der Karte 5 liegt dieser Bleierzfundpunkt jenseits der Talgasse! Hat also der „Volksmund“ Recht , dass der Stollen bis zum Giersberg führte, welcher gut 100 m weiter beginnt? Thea Schmitz schreibt 1953: Ein Stollen „unbekannten Namens zieht sich in Mülheimer Gebiet etwa einen Kilometer weit unter der heutigen Bahnlinie hin.“

Zum Giersberg

Bergbau-Foto4

Foto 4: Kuhle im Hang des Giersbergs, 2017

Im Hang dieses Giersberges lassen eine Reihe von Kuhlen Schürfarbeiten vermuten. Ob in einer tieferen (die mit einer Nußhecke, siehe Foto 4) ein Schacht zum Stollen gewesen war? Dann hätte der Stollen, z.B. „Am Schäch“ leicht nach links abknicken müssen. Verlief der Stollen in gerader Richtung, kam er zu dem Fuß des Giersberges, wo viele Steine gebrochen worden waren (wozu?) und während des Krieges ein Luftschutzunterstand unter die aufragenden Felsen gebaut wurde (später zugeschüttet und jetzt nur noch eine kleine Öffnung da, siehe Foto 5). Dort am Fuße fand ich bei Ausschachtungsarbeiten in einem etwa 6 x 8 m großen Bereich, 1 m tief im gewachsenen Boden, zahlreiche Erzbrocken und abgerundete hohle Erzknollen. Manganerz? (siehe Foto 6)

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Foto 5: Eingangsrest zum zugeschütteten ehemaligen Luftschutz-Unterstand am Fuß des Giersbergs, 2017

Die wirkliche Endpunkt läßt sich nur vermuten, aber wenn man ältere Mülheimer auf den Stollen anspricht, heißt es immer wieder „… er soll bis zum Giersberg gegangen sein.“ Dann wäre er etwa 550 bis 600 Meter lang gewesen, nur gut 100 Meter länger als auf der Verleihrißkarte für den Fundpunkt eingezeichnet.

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Foto 6: Bei Ausschachtung am Fuß des Giersbergs gefundene Eisenerzstücke, 1983

Alter
Als 1875 die Bergbauberechtigung für das Bleierzfeld „Josephine“ verliehen wurde, gab es den Stollen also schon. Und als 1856 die Konzession für das Eisenerzfeld „Alma“ erteilt wurde, stand in den Bedingungen dazu, dass ein Stollen aus Richtung Mülheimer Bach zum Eisensteinlager heranzutreiben sei – die Frage ist: einen neuen Stollen oder einen vielleicht schon bestehenden weiterzuführen? Etwas später heißt es nämlich „die … erschürfte Eisenlagerstätte … weiter aufzuschließen“, diese bestand also auch schon vorher.

Waren vielleicht sogar zu Arembergischen Zeiten (vor 1790) schon Stollenarbeiten gemacht worden? Heinrich Neu schreibt nämlich im Heimatkalender Schleiden von 1953: „Im 18. Jahrhundert hat die (Ahrenbergische) Regierung die Arbeit (des Schachtabbaus) dadurch wesentlich unterstützt, daß sie Stollen für den Abzug des Grundwassers anlegen ließ. Sie haben es ermöglicht, daß man die Schächte bis zu 50 m hinuntertreiben konnte.“ Galt das eventuell auch für Mülheim?

Bergbau-Karte2

Karte 2: Ausschnitt aus der Karte der Bürgermeisterei Blankenheim von 1798

Zwei frühere Karten, nämlich die von der Bürgermeisterei Blankenheim von 1798 und die Tranchotkarte von 1803 –1820, scheinen die untere Abraumhalde beim Mundloch anzuzeigen: im Grundstück MW V als gestricheltes Oval (ovalförmig ist die Halde „Im Sümpen“ auch heute noch). (siehe Karte 2 und Karte 3).

Jedenfalls ist erwiesen, dass umfangreiche Anstrengungen unternommen wurden in der Mülheimer Gemarkung Erze zu gewinnen, besonders im Südwesten.

Bergbau-Karte3

Karte 3: Ausschnitt aus der Tranchotkarte von 1802-1820

Doch viele Fragen bleiben offen:
Ab wann an und wie lange war der Bergbau in Betrieb?
Wie ertragreich war der Abbau von Eisenerz? – Wurde Bleierz überhaupt abgebaut?
Wohin und wie viel geliefert? -Waren die Bergarbeiter, Einheimische / Auswärtige?
Wie tief, wie weit genau gingen der Stollen, die Schächte in die Erde?
Welche Arbeitsgeräte benutzten sie?

Diese und manche weiteren Fragen lassen sich aus den bisher vorliegenden Unterlagen leider nicht beantworten. Aber immerhin ist durch intensives Nachforschen einiges Versunkene über Bergbautätigkeit in Mülheim/Eifel aus der Tiefe der Vergangenheit zu Tage gefördert worden.

 

 


Literatur
Akte Alma, Oberbergamt Dortmund, A.31, Bd. 2 Nr. 3254
Akte Josephine, Oberbergamt Dortmund, I.29, Nr. 2993
Baales, Peter, Aus der Bergbaugeschichte von Blankenheimerdorf, Sonderheft 2009
Bungartz, Hermann, Dollendorf Eifel, Hillesheim 1989
Heimatkundliche Mitteilungen des Eifelvereins für den Oberahrbezirk , Nr. 3, 1951
Kirchenchronik der Pfarrei Reetz
Neu, Peter, Eisenindustrie in der Eifel, Köln 1988
Neu, Heinrich, in: Heimatkalender Kreis Schleiden-Eifel, 1953
Internet: Eisenwerk St. Ingbert 1733 – 1913
Internet: Wikipedia, Internetlexikon
Personalstandsregister Standesamt Blankenheim
Schmitz, Thea, Die kulturelle Entwicklung d. Eifelorte Mülheim und Blankenheim, Köln 1953 (Dissertation)
Üllever Weckepeller, 2010, Heft 56